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Wracktauchen

TDN in der Ostsee

Am Freitag war es soweit. Nach umfangreichen Vorbereitungen sowohl über als auch unter dem Wasser waren die Taucher geübt und gut ausgerüstet, die Logistik war feinabgestimmt und die Wettervorhersage kündigte ein heiteres, warmes Wochenende an. Unserer mit Spannung erwarteten Wracktauchtour in der westlichen Ostsee stand nichts im Wege!

Der Plan war, sich um 18:00 Uhr am Abgangshafen in Kappeln zu treffen. Ein langer Weg für uns Dresdner von ca. 600km. Der Verkehr war aber flüßig, Berlin ließ uns schnell durch, und die siebenstündige Fahrt verging schnell. Zur vereinbarten Zeit trafen die teilnehmenden Taucher in kleinen Gruppen ein: Frank und Jürgen, Lutz und ich, und Oliver und Peter (GUE-Taucher aus Flensburg bzw. Berlin). Vor uns stand die Gotland, ein 1942 gebauter Kriegsfischkutter (KFK 146), welcher in Kriegszeiten in der Hafenschutzflottille Bergen (Norwegen) im Einsatz war und sich seit 1991 im privaten Besitz befindet.

 

Nach dem Umladen der zahlreichen Tauchtechnik sind wir von Hübbi und Benni, den Kapitänen der Gotland, offiziell begrüßt worden. Darauf folgte eine Rundtour durch das Schiff sowie die Anweisung zu Sachen wie der korrekten Benutzung der Toiletten, der Bedienung des Kompressors, usw. Sobald wir mit dem Schiff vertraut waren, war es Zeit zum gemeinsamen Abendessen und die Würstchen wurden auf den geräumigen Grill gelegt.

Am Samstag war unser erster Tauchtag und wir mussten entscheiden, welche der zahlreichen Wracks in Ostsee wir steuern würden. Die Entscheidung fiel nicht schwer, denn alle wollten die Sten Trans besuchen, welche als Highlight der westlichen Ostsee gilt.

Die Sten Trans

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Die Sten Trans wurde 1967 als Petro King in Budapest zu Wasser gelassen und als Frachtschiff für eine norwegische Reederei benutzt. 1972 wurde das Schiff an Rohde Nielsen A/S verkauft, zum Kies- bzw. Saugbagger umgebaut und unter dem Namen Morten Trans im Ostseedienst eingesetzt. Zwei Jahre später, im September 1974, wurde die Morten Trans an die dänische Reederei Transline weiterverkauft, welche sie in “Sten Trans” (dän. für “Stein Trans”) umbenannte.  Am 13. Mai, 1976 gegen 4:00 Uhr geriet die Sten Trans auf dem Weg von Samsö nach Kiel in Seenot, als sich ihre Kieselsteinladung aufgrund schweren Seegangs immer mehr  verlagerte und das Schiff zunehmend Schlagseite bekam, bis die Stabilität verloren ging. Binnen zweieinhalb Stunden verschwand die Sten Trans unter der Wasseroverfläche. Die zwölf Mann Besatzung konnte gerettet werden.

 

Das Wrack der Sten Trans liegt auf der Backbord-Seite in einer Tiefe von 10 bis 21m. Die Bedingungen waren am Samstag nahezu optimal: glatte See, 5 bis 7m Sichtweite, und angenehmes 15°C Brackwasser. Benni und Hübbi platzierten das Grundgewicht präzise auf dem Wrack und zwei Teams à drei Taucher folgten der Leine in die Tiefe. Ab 6m war das große Wrack zu erkennen, welches wir zum Teil bewachsen und in einem guten Zustand fanden. Auch zu sehen war, dass das Grundgewicht durch ein Metalgitter im Wrack eingefädelt war, was ein Hochziehen von der Gotland aus hinderte. Das Thema wurde aber schnell durch den Einsatz von Frank, Jürgen und Lutz erledigt. Unser erster Tauchgang erfüllte alle Erwartungen und nach dem Mittagsessen waren wir uns einig: wir wollten der Sten-Trans einen zweiten Besuch abstatten!

Nach einer gemütlichen Verdauungspause sprangen beide Teams wieder ins Wasser. Während Frank und Jürgen die Geheimnisse des Schiffsinnerens erkundigten, waren Oli, Peter und ich entschlossen, einen Anker zu bergen, der vor Kurzem an der Stelle verlassen wurde. Die Aktion gelang und beide Teams tauchten glücklich mit dem kleinen Trophäe auf. Der Rest des Abends wurde auf dem Deck beim Grillen und Deko-Bier verbracht, wo wir uns über unsere Taucherfahrungen austauschten und den Sonnenuntergang über die dänische Küste genossen.

Das Schnellboot S103

Am Sonntag um 7:00 Uhr startete die Gotland ihren Motor und fuhr zum Wrack des Schnellboots S103, ein gefallener Krieger, der am 4. Mai 1945 auf dem Weg von Svendborg (Dänemark) nach Flensburg von alliierten Aufklärungsflugzeugen entdeckt und versenkt wurde. Von der 32 Mann Besatzung der S103 überlebten lediglich 12 die Schlacht. Ein gruseliger Tauchgang in einem 32m-tiefen, dunklen Friedhof voller Munition aus dem 2. Weltkrieg wartete auf uns.

Gegen 9 Uhr war die Silhouette des Wracks auf dem Display des Echolots zu sehen. Das Wetter war immer noch top. Wir rödelten unverzögert an und die Teams sprangen ins Wasser. Leider verschlechterte sich die Sicht auf den letzten Metern bis auf etwa 30cm. Auch wenn beide Teams das Grundgewicht erreichten, das angeblich nur 3m vom Wrack entfernt war, konnte keiner das Wrack sehen oder besser gesagt “antasten”. Vielleicht war es auch besser so, denn Wracktauchen in Nullsicht kann schnell schief gehen. Oliver meinte, es wäre eine gute Aufstiegsübung gewesen.

Nach der Trostlasagne zu Mittag wurde entschieden, die S103 zu verlassen und das Wrack des Segelschiffs Marie (auch als "Tjalk Falshöft" bekannt) zu besuchen, das günstigerweise in Richtung Kappeln liegt.

Die Marie (aka "Tjalk Falshöft")

Die Marie, eine ca. 25m lange Tjalk,  fuhr am 5. März 1933 im dichten Nebel von Ålborg (Dänemark) nach Hamburg, mit einer Ladung von 130t Zement, und krachte mit dem Motorsegler Merkur ineinander, der von Hamburg nach Lemvig (Dänemark) fuhr. Bei dem Unfall konnte die Besatzung der Marie gerettet sowie das Sinken des Merkur verhindert werden. Die Marie ging jedoch unter und sie befindet sich jetzt ca. 4sm vor der Ortschaft Falshöft auf ebenen Kiel in einer Tiefe von etwa 22m.

Die Unterwasserbedingungen waren unseren Tauchgängen am Sten-Trans sehr ähnlich, mit Sichweiten von 5 bis 7m und 15°C Wasser. Wir fanden das Wrack der Marie in gutem Zustand, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Tjalk seit über 80 Jahren unter Wasser ist. Bedeckt von Seenelken, Miesmuscheln und Seesternen ist die Marie ein Heim für große Dorsche geworden, welche uns aus sicherer Entfernung argwöhnisch beobachteten. Nach 42 Minuten war der letzte Tauchgang unserer Tour mit einer Durchschnittstiefe von 16m zu Ende.

Kurz nach 16:00 Uhr war die Gotland wieder in Kappeln, wir tranken ein letztes Flensburger Pilsener zusammen und verabschiedeten uns von unseren neugewonnenen Freunden. Der lange Weg nach Dresden verging dieses Mal schneller mit dem Riesenmond am Horizont und dem Gefühl eines gelungenen Projekts.

Eine Fotogalerie ist hier zu finden!

Vielen Dank an Wikipedia für die Fotos vom Schnellboot und der Tjalk, sowie an Tibor Konczos von Hajoregiszter.hu für die Fotos der Sten Trans.

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